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Teil 2 | Inhalte der Projektarbeit prüfen


Als zweites muss natürlich die „Projektphase“, d.h. das Projekt selbst überprüft werden. Und damit vor allem auch, ob das Projekt für die lokale Bevölkerung sinnvoll aufgebaut ist. Tut das Projekt das Richtige für die Zielgruppe? Gibt es festgelegte Ziele und einen geregelten Ablauf? Lohnt sich der Einsatz der Volunteers überhaupt? Und wird das Projekt auch dauerhaft sinnvoll weitergeführt? Solche Fragen sind schwieriger im Voraus zu beantworten, da man als Freiwilliger eigentlich keinen Kontakt zu der Aufnahme-Organisation im Land bekommt. Zumindest nicht, bevor man sich beworben hat.

Pädagogische Betreuung vor Ort

Auch im Projekt selbst sollte die pädagogische Betreuung weiter gehen. Das übernehmen dann Mitarbeiter der Organisation vor Ort. Gerade bei der Ankunft und in den ersten Tagen ist es für die Teilnehmer wichtig, einen Ansprechpartner zu haben, der ihnen bei der Orientierung im Land hilft. Sehr sinnvoll ist, einen Einführungsworkshop mit allen Freiwilligen durchzuführen. So lernen die Freiwilligen sich auch kennen, bevor es dann letztendlich in die eigentliche Projektarbeit geht. Vor Ort sollte es den Freiwilligen auch immer möglich sein, sich gegenseitig auszutauschen und Kritik anzusprechen. Je nach Länge des Aufenthaltes machen da auch kleine Zwischenseminare Sinn.

Ansprechpartner

Einen festen Ansprechpartner vor Ort, an den man sich mit allen Fragen und Problemen wenden kann, sollte es bei jedem Freiwilligen-Angebot geben. In der Regel ist er ein angestellter Mitarbeiter der Partnerorganisation bzw. Einsatzstelle und die erste Person, auf die die Freiwilligen im Gastland treffen. Oft werden die Freiwilligen bereits von ihren Mentoren vom Flughafen abgeholt. Der Mentor dient vor Ort als vermittelnde Person zwischen den Freiwilligen und der Einsatzstelle/Partnerorganisation sowie auch zu dem Anbieter in Deutschland. Über ihn sollte alle Kommunikation erfolgen. In erster Linie trägt der Mentor die Verantwortung für das Wohlergehen der Freiwilligen und unterstützt sie wo er kann. Beispielsweise ist er auch für die Gesundheit und Sicherheit zuständig oder bei auftretenden Krisen und Konflikten.

Einführungsworkshop

Viele Anbieter führen sogenannte Orientierungsworkshops direkt nach der Anreise im Projektland durch. Sie sind aufgebaut wie die Vorbereitungsseminare in Deutschland. Du lernst dabei Land und Leute kennen und wirst erst einmal mit Aufgaben und Tätigkeiten im Projekt vertraut gemacht. Auch notwendige Kenntnisse über das Gastland und der richtige Umgang mit kulturellen Unterschieden werden hier vermittelt. Erst nach diesem vorbereitenden Workshop geht es dann für dich als Freiwilliger weiter zum Einsatz ins Projekt. Der Orientierungsworkshop wird von der Partnerorganisation im Gastland bzw. von der Einsatzstelle direkt durchgeführt.

Zwischenseminar

Bei längeren Auslandsaufenthalten ist es gut, wenn die Organisation Zwischenseminare anbietet. Diese können so alle zwei Monate stattfinden und können auch mehrtägig sein. Meistens finden die Seminare für alle Freiwilligen aus den umliegenden Projekten der Partnerorganisation statt. Die Zwischenseminare sollen es den Freiwilligen ermöglichen, andere Freiwillige wiederzutreffen und Erfahrungen auszutauschen. Außerdem können individuelle Fragen und Probleme besprochen werden. Die Seminare werden in der Regel von den zuständigen Mentoren durchgeführt. Hier kann man zum Beispiel auch ansprechen, wenn man an neuen Tätigkeiten im Projekt interessiert ist oder sich überfordert fühlt. Es sollte außerdem reflektiert werden, in wie weit man bereits Lernerfahrungen gemacht hat und was der Freiwilligeneinsatz bisher für jeden Einzelnen gebracht hat.

Solche Zwischenseminare dienen auch immer der Diskussion von Verbesserungsmöglichkeiten für kommende Freiwillige. Das ist ein gutes Feedback für die Partnerorganisation und die Entsendeorganisation in Deutschland, um die Programme besser auf die Freiwilligen anpassen zu können.

Integration der lokalen Bevölkerung

Bei guten Projekten liegt der Fokus neben den Freiwilligen immer auch auf den Einheimischen. Es ist sehr wichtig, dass Freiwilligenprojekte auch mit der lokalen Bevölkerung und den zuständigen vor Ort abgesprochen werden. Der Anbieter und die Partnerorganisation vor Ort sollten auf einen schonenden und fairen Umgang mit den lokalen Ressourcen und einem verantwortlichen Umgang mit den Angestellten und der Lokalbevölkerung achten. Denn nur wenn die Einheimischen vor Ort die Freiwilligen akzeptieren kann das Projekt zu einem positiven Ergebnis für beide Seiten führen. Jedes Freiwilligenprojekt sollte also auch nah an der Bevölkerung dran sein. Das bedeutet beispielsweise, dass

  • Das Projekt direkt bei den Bedürfnissen der Bevölkerung ansetzt und sie befähigt, ihre Lebensbedingungen aus eigener Kraft zu verbessern
  • Die Organisation eine langfristige Zusammenarbeit mit der Bevölkerung pflegt
  • Einheimische als Mitarbeiter im Projekt angestellt werden und aktiv an der Erreichung der Projektziele teilhaben
  • Dass Einheimische in Entscheidungen zu Projektschritten und Zielen mit einbezogen werden

Bevor ein Projekt aufgebaut wird und Ziele festgelegt werden, müssen die Organisationen erst einmal wissen, welche Bedürfnisse die Bevölkerung hat. Wenn keine Absprachen mit der Bevölkerung vor Ort erfolgen, wie kann eine Organisation dann genau wissen, was die Einheimischen genau benötigen? Brauchen sie beispielsweise ein neues Schulgebäude? Oder müssen zunächst erst einmal Lehrer ausgebildet werden? Die Einheimischen müssen eigene Wünsche äußern dürfen, damit sie auch voll und ganz hinter dem Projekt stehen. Denn das Ziel sollte es ja sein, dass die Bevölkerung die Projekte auch einmal eigenständig ohne fremde Hilfe von außen führen können. Die Projekte sollen die Bevölkerung auch befähigen, ihre Lebensbedingungen aus eigener Kraft zu verbessern, ihr Leben aktiv zu gestalten und Perspektiven für die Zukunft aufzubauen.

Wichtig ist auch, dass in dem Projekt eine Zusammenarbeit zwischen den Einheimischen und den Freiwilligen stattfinden kann. Ziel sollte ein interkultureller Austausch sein. Alle Beteiligten sollen voneinander lernen und eine neue Sichtweise auf unterschiedliche Kulturen bekommen. Freiwillige sollten gemeinsam mit den Einheimischen an Aufgaben arbeiten, um sich gegenseitig zu unterstützen und Fähigkeiten auszutauschen. Wichtig ist, dass die Freiwilligen akzeptiert werden und als Hilfe angesehen werden. Die Einheimischen dürfen nicht das Gefühl haben, dass sie von ihnen verdrängt werden. Der Einsatz der Freiwilligen im Projekt darf daher den Einheimischen z.B. keine Arbeitsplätze wegnehmen.

Unterbringung in einer Gastfamilie

Um Spannungen zu vermeiden sollten die Freiwilligen auch unter gleichen Bedingungen wie die Einheimischen leben, bestenfalls in einer Gastfamilie. Als Gastfamilie wird die Bevölkerung noch besser in die Projekte integriert. Indem ein Freiwilliger in einer Gastfamilie lebt, kommt es noch vielmehr zu einem Austausch und einem voneinander Lernen. Nur durch ein gemeinsames Zusammenleben kann gegenseitiger Respekt und ein Verständnis für fremde Kulturen entstehen. Bei der Auswahl eines Voluntourismus-Angebotes sollte daher eine Unterbringung in einer einheimischen Gastfamilie angeboten werden. Ein Aufenthalt in einem Hostel macht wenig Sinn. Hier lernst du nur weitere Touristen kennen und wirst wahrscheinlich noch nicht einmal zum Spanisch sprechen kommen.

Nachhaltigkeit in den Projekten

Nachhaltigkeit im Voluntourismus bedeutet, dass die Projekte und Freiwilligeneinsätze so angelegt und abgesprochen sind, dass sie auch in den folgenden Jahren sinnvoll weitergeführt werden können. Gibt es regelmäßige Evaluationen zu Fortschritten des Projektes?

Eine nachhaltige Entwicklung der Projekte kann nur passieren, wenn von Beginn an die einheimische Bevölkerung in das Projekt mit integriert wird und die vorher festgelegten Ziele gemeinsam verfolgt werden. In regelmäßigen Abständen sollten Evaluationen erfolgen, um Fortschritte im Projekt zu überprüfen. Ein nachhaltig ausgerichtetes Projekt sorgt für die Bewahrung der Umwelt, Kultur und sozialen Gerechtigkeit im Land und die Schonung der natürlichen Ressourcen. Es sollte nach den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung zusammen mit lokalen Partnern angelegt werden. Freiwillige sollten nützliche Einsatzplätze haben, die auf die Bedürfnisse vor Ort passen. Ob ein Anbieter sich dafür einsetzt, wird meistens auch aus dem Leitbild klar. Nachhaltige Ziele, die angestrebt werden sollten, sind:

  • Bewahrung der Umwelt, Kultur und sozialer Gerechtigkeit
  • Schonung natürlicher Ressourcen
  • Achtung der Gesellschaft, der Kultur und Religion der einheimischen Bevölkerung
  • Förderung von Toleranz und interkultureller Kompetenzen durch die Begegnungen mit fremden Kulturen
  • Leistung eines positiven Beitrages für die lokale Bevölkerung und deren Umwelt
  • Einbeziehung der lokalen Bevölkerung
  • Förderung eines Bewusstseins zum Thema Nachhaltigkeit
  • Einbeziehung von lokalen Partnern für Schutzmaßnahmen (Naturschutz, Menschenrechte etc.)

Langfristigkeit

Freiwilligenprojekte sollten so ausgelegt sein, dass sie Möglichkeiten für dauerhafte positive Auswirkungen schaffen. Ist das Projekt so angesetzt, dass es in den folgenden Jahren sinnvoll weitergeführt werden kann? Ein Projekt, das nur für ein einziges Mal angeboten wird, kann problematisch sein. Die Projekte sollten stets so ausgelegt, sein, dass es Möglichkeiten für eine Weiterentwicklung gibt. Dafür sollte von der Entsende- und Partnerorganisation bzw. Einsatzstelle ein klarer Zeitplan über die nächsten Jahre erarbeitet worden sein. Aus diesem sollte hervorgehen, was die nächsten Projektschritte und Ziele sind. Das kann beispielsweise die Bepflanzung eines Ackers sein oder der Bau eines Klassenraumes. Anbieter und Partnerorganisation müssen einen klaren Plan haben, was nach jedem erreichten Teilziel passiert. Was passiert, wenn das Schulgebäude fertig gestellt ist? Ein Gebäude alleine sichert den Einheimischen noch nicht die Möglichkeit auf Bildungsangebote. Es müssen auch genügend Lehrer dafür zur Verfügung stehen. Das Projekt muss stets veränderbar sein und nach erreichten Fortschritten neu auf die Bedürfnisse der Einheimischen abgestimmt werden. Für jede Projektphase sollte immer wieder neu überlegt werden, wie die Freiwilligen hier sinnvoll eingesetzt werden können.

Regelmäßige Evaluationen

In regelmäßigen Abständen sollten die Freiwilligenprojekte evaluiert werden. Dafür sollte zum einem die Zufriedenheit der Freiwilligen überprüft werden, aber auch die der Bevölkerung vor Ort. Alle Beteiligten im Projekt sollten befragt werden und Verbesserungen, Unzufriedenheit, Probleme etc. äußern dürfen. Beispielsweise sollte die Partnerorganisation bzw. die Einsatzstelle vor Ort auch Feedback geben zu der Struktur des Freiwilligenprogrammes, die Rolle der Freiwilligen und den Einsatzplätzen. Dadurch kann herausgefunden werden, ob der Einsatz der Freiwilligen und die ausgeübten Tätigkeiten noch Sinn machen für das Projekt oder ob z.B. etwas abgeändert werden muss. Wichtig ist auch, dass überprüft wird, ob in den letzten Jahren die Ziele erreicht worden sind und das Projekt Fortschritte macht. Regelmäßige Überprüfungen sind sehr wichtig. Sie tragen dazu bei, dass das Projekt so verbessert wird, dass die Arbeit vor Ort auf lange Sicht Gutes bewirkt. Schön und lobenswert ist es auch, wenn die Projektfortschritte (z.B. der Bau eines Schulgebäudes) auch regelmäßig auf der Website des Anbieters dargestellt werden.

Natürlich kann man bei der Auswahl eines Freiwilligenprojektes nur sehr schwer bewerten, wie die Projekte vor Ort aussehen und ob der Anbieter bei der Gestaltung von Voluntourismusangeboten auf solche nachhaltigen Aspekte achtet. Aber in Form von Informationen über die langjährige Arbeit vor Ort (z.B. auf der Website oder auf Informationsveranstaltungen) kannst du dir schon einmal einen guten Überblick verschaffen. Das können zum Beispiel erreichte Ziele/Ergebnisse der letzten Jahre sein in Form von Bildern. Auch Berichte über die Verbesserung der sozialen, ökologischen oder wirtschaftlichen Situation vor Ort werden oft veröffentlicht. Oder auch die Darstellung von weiteren Vorteilen für die Bevölkerung vor Ort, die Umwelt oder die Freiwilligen, die durch das Projekt entstanden sind. Oft wird auch Feedback von Freiwilligen oder lokalen Partnern vor Ort auf der Website veröffentlicht. Und falls du keine Antworten auf manche Fragen auf der Website der Organisationen findest, lohnt es sich immer, einmal anzurufen und direkt nachzufragen. Besser, man weiß vorher gründlich über alles Bescheid, als nachher vor Ort eine unschöne Überraschung zu erleben.

Weitere Links zum Thema Nachhaltigkeit im Voluntourismus

Teil 1 | Das richtige Projekt/eine gute Volunteer-Organisation finden

Teil 3 | Qualitätsmerkmale der Volunteer-Organisation checken

Überblick: Nachhaltigkeit im Voluntourismus

Unser Tipp: Experten-Interview zum Thema "Nachhaltigkeit im Voluntourismus"

Larissa Oppermann (24) hat sich in ihrer Bachelorarbeit mit dem Thema Voluntourismus beschäftigt. Ein von ihr erarbeiteter Kriterienkatalog soll dabei helfen, von gewerblichen Veranstaltern angebotene Volunteer-Projekte auf ihre soziale Nachhaltigkeit zu prüfen. Im Gespräch mit Christian vom freiwilligenarbeit.de/magazin verrät Larissa, warum ihr das Thema am Herzen liegt und erklärt, wie sich die verschiedenen Freiwilligenarbeit-Angebote voneinander unterscheiden. Außerdem spricht sie über die Möglichkeiten ihren Katalog in der Praxis anzuwenden, und welche positiven Effekte für den Voluntourismus sie sich davon erhofft.

Hier geht es zum Interview:

>> Nachhaltigkeit im Voluntourismus

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