Freiwilligenarbeit im Ausland wird in einigen Fällen von Interessensverbänden und Medien teilweise kritisch betrachtet. Tatsächlich gibt es Volunteering-Angebote von fragwürdiger Qualität und Berichte über Missstände. Daher haben wir bei drei der führenden deutschsprachigen Freiwilligenorganisationen nachgefragt, die für ihre Nachhaltigkeit, Qualität und Seriosität bekannt sind. Wir wollten wissen, ob und inwieweit Kritik berechtigt ist und was diese Organisationen tun, um sinnvolle Freiwilligenprojekte und somit eine Win-Win-Situation zu ermöglichen, von der sowohl die lokale Bevölkerung vor Ort als auch die Volunteers profitieren.
NATUCATE ist der Spezialist für Freiwilligenarbeit im Bereich Natur-, Arten- und Tierschutz. Auch die Vermittlung von Weiterbildungsaufenthalten und Auslandspraktika in der Natur sowie die Gestaltung und Organisation von naturnahen Sabbaticals gehören zu den Schwerpunkten der Aachener Agentur.
Oberstes Anliegen ist es, nur solche Projekte und Programme anzubieten, die der Unternehmensphilosophie entsprechen und damit hohe Nachhaltigkeitsstandards erfüllen.
Rainbow Garden Village ist eine gemeinnützige Volunteer Organisation für flexible Freiwilligenarbeit in Europa, Afrika, Asien und Südamerika. Seit 1999 bietet RGV jungen als auch erfahrenen Menschen die Möglichkeit sich für eine nachhaltige Entwicklung im Ausland einzusetzen. Die Tätigkeitsbereiche ermöglichen Volunteer-Einsätze im sozialen und schulischen Bereich sowie in Naturschutz & Wildlife Projekten. RGV steht für Qualität und hohe Standards, wodurch in erster Linie sinnvolle Projekte ermöglicht werden, welche den Mensch, der Natur aber auch der Tierwelt in den Einsatzregionen zu Gute kommen sollen.
NATUCATE: Wir von NATUCATE kommunizieren ganz deutlich: Durch
einen einzigen und insbesondere nur wenige Wochen umfassenden
Projekteinsatz kann niemand die Welt retten. Von dieser Vorstellung
sollte sich jeder Freiwilligenhelfer umgehend lösen. Klar sollte auch
sein, dass man die fremde Kultur eines fernen Landes in so kurzer Zeit
nicht so kennenlernen kann wie es etwa durch einen halb- oder
ganzjährigen Aufenthalt ermöglicht wird. Da gerade bei sozialen
Projekten kurzzeitige Freiwilligeneinsätze zu Problemen führen können –
Bindungen werden sofort wieder zerstört oder gar nicht erst richtig
aufgebaut – setzt NATUCATE den Fokus auf Projekte im Natur- und
Artenschutz und sieht ganz bewusst von der Vermittlung sozialer Projekte
ab. Jedes Projekt, das wir in unser Angebot aufnehmen, wird vorher
einer intensiven Prüfung unterzogen. So stellen wir sicher, dass die
Aufgaben vor Ort auch für kurze Freiwilligeneinsätze geeignet sind.
Hinzu kommt, dass die von uns vermittelten Projekte keine staatliche
Unterstützung erhalten und somit die Hilfe nationaler und
internationaler Freiwilligenhelfer benötigen.
Zudem besitzen die
Projekte, die wir unterstützen, mehrheitlich einen wissenschaftlichen
Hintergrund und beinhalten langfristige Datenerhebungen, die sich
teilweise über Jahre erstrecken können. Bei Projekten dieser Art sind
daher auch kurze Einsätze sinnvoll, um einen Beitrag zur Entwicklung von
Arten- und Naturschutzmaßnahmen zu leisten. Zusammengefasst bedeutet
das: Bei nicht staatlich geförderten (wissenschaftlichen) Projekten, die
auf Hilfe von Freiwilligen angewiesen sind, einer guten Vorbereitung,
der richtigen Erwartungshaltung und auf einen kurzen Projektaufenthalt
ausgelegten Aufgaben können in unseren Augen auch kurzzeitige
Volontäreinsätze Hilfe bewirken.
RGV: Wir sehen Kurzzeiteinsätze eher kritisch, besonders im sozialen Bereich. Vorab möchten wir sagen, dass ein erfolgreicher Einsatz über eine Dauer von 1-2 Wochen (Kurzzeiteinsatz) in ausgewählten Projekten möglich ist – allerdings nur, wenn die Strukturen im Projekt dies zulassen. Das kann beispielsweise im Bereich Naturschutz bei der Ernte oder im Bereich Wildlife bei der Datenerhebung der Fall sein. Das Projekt muss gut strukturiert und organisiert sein und auf bestehende Arbeitsabläufe zurückgreifen können, sodass eine schnelle Einarbeitung sowie Eingewöhnung in den Arbeitsalltag garantiert werden kann. Wir sind aber auch der Meinung, dass Kurzzeiteinsätze im sozialen Bereich – egal wie gut das Projekt organisiert ist – nicht sinnvoll sind! Das hat diverse Gründe: Zum einen nimmt das Akklimatisieren in kultureller Hinsicht gerade in Entwicklungsländern einige Zeit in Anspruch. Das Kennenlernen der Einrichtung, deren Strukturen sowie der Kinder bzw. Menschen im Projekt benötigt Zeit, um Vertrauen und eine Bindung aufzubauen. Zudem sollte man bedenken, dass der Großteil der Teilnehmenden fachfremd in einem sozialen Projekt anfängt zu arbeiten, also ohne pädagogische oder didaktische Grundkenntnisse. Dass die Volunteers nur wenig auf Fachkenntnisse zurückgreifen können, ist aber an sich nicht weiter schlimm – solange sie Zeit haben, sich mit Hilfe einer Fachkraft in das Projekt einzuarbeiten. Wenn man einen kurzen Aufenthalt vor Ort plant, sollte man das Projekt mit viel Bedacht wählen und vielleicht auch kritisch hinterfragen. Bei Kurzeinsätzen besteht die Gefahr, dass der Mehrwert ausschließlich beim Teilnehmenden liegt oder dieser sogar eine Mehrarbeit für die Mitarbeiter und Fachkräfte vor Ort darstellt – nämlich, wenn sie sich neben ihrer eigentlichen Arbeit im Projekt auch noch um den Teilnehmenden kümmern müssen.
RGV: Das sollte man nicht pauschalisieren: Es gibt in jedem Bereich Projekte, die ganz tolle Arbeit leisten und andere, welche einen nur traurig den Kopf schütteln lassen. Mit Vorsicht und Bedacht sollte man zunächst an folgende Projekte herantreten: Waisenhausprojekte, Tieraufzuchtprojekte, aber auch Tierprojekte mit nicht artgerechter Tierhaltung (z.B. Reiten auf Elefanten, Turtle Projekte mit ausschließlich Wasserbecken etc.). Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass gerade in diesen Projekten oftmals nicht das Wohl des Tieres/Kindes etc. an erster Stelle steht, sondern der Profit. Man sollte zudem keine Projekte unterstützen, in welchen man der lokalen Bevölkerung Arbeitsplätze streitig macht. Wichtig ist, dass man sich vorab über die Sinnhaftigkeit der Projekte informiert.
NATUCATE: Natürlich müssen Freiwilligenprojekte bestimmte Grundsätze erfüllen: So müssen sie sich durch Sinnhaftigkeit auszeichnen, dürfen nicht rechtswidrig handeln und sehen sich in der Pflicht, die Sicherheit für alle Beteiligten zu gewährleisten. Leider entpuppen sich in der Tat viele scheinbar gutherzige Freiwilligenprojekte als schwarze Schafe. Es gibt zwei Arten von Projekten, gegen die NATUCATE ganz klar Stellung bezieht. Als erster deutscher Anbieter von der Organisation Campaign Against Canned Hunting (CACH) als ethische Vermittlungsagentur für Freiwilligenarbeit empfohlen, bieten wir seit unserer Gründung keine Projekte an, die die direkte Interaktion mit Wildtieren erlauben – Stichwort ‚Löwenaufzuchtprojekte‘. Die Wahrheit hinter diesen erschüttert, denn tatsächlich dienen sie lediglich dazu, ausreichend Nachschub für die Gatterjagd bereitzustellen. Nach wenigen Tagen der Obhut der Mutter entrissen worden, werden die Löwenjungen zum Spielzeug unwissender Freiwilliger und Touristen. Jene werden in dem Glauben gelassen, die Jungtiere seien verwaist, während die Löwenmutter sehr wahrscheinlich auf einem unzugänglichen Teil des Geländes verwahrlost und schließlich, sobald sie nicht mehr gebärfähig ist, eingeschläfert wird. Sind die Jungtiere irgendwann zu groß, um als Kuscheltier zu funktionieren, werden sie für Spaziergänge mit Touristen missbraucht – oftmals unter Sedierung, damit sie dem Menschen nicht gefährlich werden können. Zu guter Letzt werden die ausgewachsenen Tiere später oftmals in umzäunten Arealen ausgesetzt und für zahlungskräftige Freizeitjäger zum Abschuss freigegeben. Wer glaubt, Löwenaufzuchtfarmen entließen die ausgewachsenen Tiere zurück in die Wildnis oder trügen zur Arterhaltung bei, irrt – dahinter verbirgt sich nicht anderes, als die skrupellose Gier nach Profit. Auch nehmen wir Abstand von solchen Projekten, bei denen Freiwillige für die Betreuung von Kindern eingesetzt werden, insbesondere Waisenhausprojekte. Die Faktenlage hierbei ist sehr undurchsichtig; oftmals lässt sich nicht erkennen, ob es sich bei einer Einrichtung um ein seriöses Kinderheim oder eine korrupte Institution handelt, die Kinder zur finanziellen Bereicherung gewissenlos ausbeutet.
NATUCATE: Nein, NATUCATE bietet seit seiner Gründung keine Projekte in Waisenhäusern an. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Insbesondere im südostasiatischen Raum, aber auch in Westafrika kommt es vermehrt dazu, dass Kindern ihren notleidenden Familien mit falschen Versprechungen auf eine bessere Zukunft abgekauft und in Waisenhäusern untergebracht werden. Diese machen sich das Mitleid nichtsahnender internationaler Freiwilliger gezielt zunutze und schlagen aus deren Hilfsbereitschaft Profit. Hinzu kommt, dass vor allem ein kurzzeitiger Aufenthalt oftmals mehr Schaden als Nutzen anrichtet: Die Kinder mussten bereits die Trennung ihrer Eltern verkraften – und die Betreuung durch ständig wechselnde freiwillige Helfer kann Trennungsängste und Bindungsprobleme noch einmal verstärken. Kritisch angemerkt werden muss außerdem, dass die meisten der freiwilligen Helfer keine ausgebildeten Pädagogen sind und so gut wie nie die Landessprache beherrschen – folgenschwer für die Zeit, in der die Kinder im Normalfall ihre Muttersprache erlernen sollten.
RGV: Man hat sich bereits 2016 international darauf verständigt, dass diese Form der Hilfe unterlassen werden sollte. RGV befolgt diese Richtlinien und ermöglicht daher auch keine Einsätze in Waisenhäusern. Wir bieten zudem keine Projekte an, in welchen Kinder über Nacht bleiben. Unserer Meinung nach ist eine nachhaltige Förderung der Kinder in diesen Projekten gefährdet, wenn ständig neue Volunteers eingesetzt werden, das heißt, die Bezugspersonen der Kinder ständig wechseln.
RGV: Das Wohl der Kinder liegt uns sehr am Herzen; daher haben wir die RGV-Kinderschutzrichtlinien aufgesetzt. Durch eine vertraglich geregelte Kooperationsvereinbarung zwischen Aufnahmeprojekten in den Zielländern, RGV und teilnehmenden Volunteers werden unsere Kinderschutzrichtlinien gesichert. In jedem Zielland haben wir einen Kindesschutzbeauftragten, welcher Ansprechpartner bei Fragen rund um das Wohl des Kindes ist und im Notfall direkte Rücksprache mit ECPAT (Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung) nimmt. Um in einem Projekt mit Kindern arbeiten zu können, müssen die Teilnehmenden ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen sowie den RGV-Kinderschutzrichtlinien zustimmen und einwilligen, sich an diese zu halten. In unseren Vorbereitungsseminaren sensibilisieren wir zukünftige Teilnehmende zudem für das Thema Kindeswohl.
RGV: Auch hier ist es wohl eine Mischung aus beidem. In unserer Wahrnehmung möchten die allermeisten Volunteers etwas vor Ort bewegen und zum Allgemeinwohl der Bevölkerung beitragen. Sehr oft geschieht das natürlich mit dem Wunsch, sich weiterzuentwickeln. Weiterentwicklung im Sinne von: erste Auslandserfahrung sammeln und Selbständigkeit unter Beweis stellen. Aber auch der Blick auf globale Zusammenhänge und die tatsächliche Problematik in Entwicklungsländern ist für viele wichtig. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass eine gesunde Mischung beider Motive zum Erfolg einer Freiwilligenarbeit im Ausland beiträgt.
NATUCATE: Bei denjenigen, die Kontakt mit uns aufnehmen, erleben wir ein Zusammenspiel aus beidem: Der Wunsch, dort zu helfen, wo Hilfe gebraucht wird, gesellt sich zum Bedürfnis, unbekanntes Terrain zu entdecken, interkulturelle Erfahrungen zu machen und den eigenen Horizont zu erweitern. Das ist in unseren Augen auch völlig in Ordnung – so lange die Motivation, sich einer sinnvollen, Nutzen bringenden Arbeit zu widmen, überwiegt. Stellt sich heraus, dass es einem Interessenten oder einer Interessentin einzig darum geht, möglichst unkompliziert an ein schönes Reiseziel zu gelangen, machen wir ohne Umschweife deutlich, dass Freiwilligenarbeit dafür nicht das richtige ist.
NATUCATE: Um angehenden Freiwilligenhelfern eine genaue Vorstellung davon zu vermitteln, was sie vor Ort erwartet, legen wir großen Wert auf eine umfassende Vorbereitung. Das heißt in erster Linie: Gespräche, Gespräche, Gespräche. Für diese nehmen wir uns stets ausreichend Zeit, um alle Projektdetails zu besprechen, offene Fragen zu klären und falsche Erwartungshaltungen aus dem Weg zu räumen. So etwa betonen wir in jedem Gespräch, dass der neuen Kultur offen und unvoreingenommen begegnet werden sollte, dass der Lebensstandard vor Ort ein anderer als der gewohnte ist, dass die Unterstützung des Projekts und nicht der eigene Erlebnisdurst im Vordergrund steht – und dass ein vergleichsweise kurzer Projekteinsatz nicht sofort große Veränderungen erzielen kann. Um alles schwarz auf weiß zu haben, lassen wir unseren Volontären auch schriftlich umfangreiches Informationsmaterial zukommen.
RGV: Die Informationen zu den Projekten erhalten wir direkt von den Einsatzstellen in den Zielländern: Sie beantworten uns in einem Formular alle wichtigen Fragen rund um das Projekt. Uns ist wichtig, dass wir mit den Projektbeschreibungen die Einsatzstelle, den Alltag und die Aufgaben der Volunteers genau aufzeigen. Aufgrund dieser Informationen entscheidet schließlich der Teilnehmer, ob dieses Projekt das richtige für ihn ist. Wir achten darauf, dass Reisen und Freizeit nicht mit der Projektbeschreibung vermengt werden. Sonst könnte der Eindruck entstehen, dass der Schwerpunkt eher auf Reisen und Urlaub liegt. Das ist in unseren Projekten nicht der Fall. Bei uns liegt der Schwerpunkt immer auf der Arbeit im Projekt.