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Teil 2  - Im Gespräch mit Natucate & Rainbow Garden Village


7) Welche Qualifikationen verlangen Sie von Ihren Bewerbern und inwiefern werden die geforderten Qualifikationen und Kenntnisse durch Ihre Organisation überprüft?

RGV: Folgende Dokumente müssen bei uns eingereicht werden: ein aktuelles erweitertes polizeiliches Führungszeugnis, ein Englisch-Sprachnachweis, für soziale und medizinische Projekte Nachweise über Erfahrungen/Kenntnisse in diesen Bereichen, falls vorhanden (Volunteers mit gewissen Skills können etwas mehr Verantwortung übernehmen!), Lebenslauf, Motivationsschreiben, letztes Zeugnis. Anhand der benötigten Unterlagen können wir vorab Zuordnungen treffen, da unterschiedliche Projekte auch unterschiedliche Anforderungen und Erwartungen an den Volunteer haben. Wir beschreiben unsere Projekte sachlich und zutreffend, damit sie bei unseren zukünftigen Volunteers die richtige Erwartungshaltung schaffen.

NATUCATE: Die genauen Qualifikationen sind von Projekt zu Projekt verschieden. So werden je nach Projekt Anforderungen wie Schwimmen oder Tauchen an den Bewerber gestellt. Diese individuellen Fähigkeiten kommunizieren wir mit unseren Interessenten gewissenhaft und stellen sicher, dass sie für die Aufgaben im Projekt mit dem nötigen Rüstzeug ausgestattet sind. In jedem Fall spielt der Gesundheitszustand eines jeden Volontärs eine wichtige Rolle, da viele unserer Projekte körperlich herausfordernd sein können. Daher bitten wir alle Teilnehmer, uns vorab eine ärztliche Bescheinigung über ihre körperliche Verfassung zukommen zu lassen. Hierauf wird auch der aktuelle Impfstatus vermerkt, denn auch spezielle Impfungen sind für einige unserer Projekte und Zielländer notwendig. Ferner stellt auch das Einreichen eines polizeiliches Führungszeugnisses Teil der Bewerbung dar. 

Als persönliche Voraussetzungen gelten in erster Linie der Wunsch zu helfen, Naturbegeisterung, Outdoor-Affinität und Weltoffenheit. Durch viele persönliche Gespräche im Vorfeld des Projekts versuchen wir zu ermitteln, ob genau diese Gegebenheiten die Motivation für den Freiwilligenaufenthalt darstellen und nicht der möglichst günstige Besuch eines schönen Reiseziels. Des Weiteren stellen wir sicher, dass die Projektteilnehmer über solide Englischkenntnisse verfügen, um sich verständigen und die Anweisungen des Projektleiters verstehen zu können. Zu guter Letzt stellen wir stets sicher, dass auch die formalen Voraussetzungen erfüllt sind: ein Mindestalter von 18 Jahren, ein gültiger Reisepass sowie eventuell benötigtes Visum und eine abgeschlossene Auslandskrankenversicherung für die Dauer des Projekts.


8) Sind Ihre Projektausschreibungen bedarfsorientiert?

RGV: Leider nur selten. Wir bieten unseren Volunteers in Beratungen an, dass RGV eine Platzierung auf Grund der vorliegenden Unterlagen und Skills vornimmt, um so dem Bedarf der Aufnahmestellen im vollen Umfang nachkommen zu können. Allerdings ist dies schwer umsetzbar. Freiwilligenarbeit ist kein dreitägiger Ausflug, sondern ein großer Schritt, für den sich der Teilnehmende bewusst entscheidet. Ein Volunteer sollte sich mit seiner Entscheidung wohl fühlen. Daher ist die Berücksichtigung der Bedürfnisse wichtig für den Wohlfühlfaktor vor Ort. Wenn wir merken, dass ein Volunteer aufgrund seiner Kenntnisse und Vorstellungen gut in ein Projekt passt, dann empfehlen wir dieses natürlich. Was wir aber sehr streng regulieren, sind die zulässigen Teilnehmerzahlen im jeweiligen Projekt. Jedes Projekt legt die maximale Teilnehmerzahl selbst fest, und daran halten wir uns in jedem Fall.


9) Wie wichtig ist die Vor- und Nachbereitung des Freiwilligenaufenthalts und wie stellen Sie sicher, dass Freiwillige ausreichend auf ihren Einsatz vorbereitet werden?

NATUCATE: Auf die Vor- und Nachbereitung des Freiwilligenaufenthalts legen wir immensen Wert und nehmen uns daher viel Zeit für umfassende Beratungs- und Informationsgespräche mit den angehenden Volontären. Im Rahmen mehrerer persönlicher Gespräche werden Details zum Projekt behandelt, offene Fragen geklärt, Unklarheiten beseitigt sowie Erwartungen ermittelt und teilweise „gerade gerückt“. Von Anfang an lassen wir die Volontäre wissen, dass sie sich mit Fragen und Unklarheiten jederzeit an uns wenden können.

Auch in schriftlicher Form erhalten unsere Volontäre umfangreiches Informationsmaterial über das Projekt und seine Arbeit, das Leben vor Ort sowie das Zielland und seine Besonderheiten. Nach Projektende führen wir mit jedem unserer Teilnehmer ein Abschlussgespräch, in dessen Rahmen wir uns die individuellen Erfahrungen und Eindrücke ausführlich schildern lassen und bitten außerdem um das Ausfüllen eines Feedbackbogens. So wird der Teilnehmer dazu bewogen, das Geschehene noch einmal gezielt Revue passieren lassen und uns wiederum ermöglicht, Verbesserungspotenzial auf unserer Seite wie auch auf Seiten der Projektorganisation zu identifizieren.

RGV: Die Vorbereitungsphase ist überaus wichtig und trägt maßgeblich zum positiven Gelingen eines Einsatzes bei. Eine der wichtigsten Aufgaben ist es dabei, bei teilnehmenden Volunteers die richtige Erwartungshaltung zu schaffen. Also: Wovon kann/muss ich ausgehen, was darf ich erwarten und was nicht.
Volunteers müssen aber auch über die Erwartungshaltung der Projekte informiert werden, so dass sie sich darauf einstellen können. Ein weiteres Kernthema ist „Kulturschock vermeiden“: Nur mit entsprechender Vorbereitung wirkt man dem entgegen und weckt zudem aber auch Vorfreude auf das Zielland und dessen Kultur.

Die Vorbereitungsphase ist allerdings auch sehr beruhigend für die zukünftigen Volunteers, weil sie dort erkennen: Ich bin nicht alleine, die Organisation unterstützt mich und andere Volunteers reisen mit mir ins Ausland. Und genau deshalb entscheiden sie sich ja für einen organisierten Einsatz. Die Nachbereitung findet bei RGV derzeit hauptsächlich in Form von Mails statt. Kurz vor der Rückreise in die Heimat geben wir den Teilnehmern Tipps, wie sie sich verabschieden können. Wenn sie wieder zu Hause sind, ermuntern wir sie dazu, durch Feedback an uns ihren Aufenthalt zu reflektieren. Aber wir geben den Volunteers auch Hilfestellungen, wie sie das Projekt, in dem sie gearbeitet haben, weiterhin unterstützen können.


10) Warum kostet Freiwilligenarbeit eigentlich Geld?

NATUCATE: Geld für den eigenen Arbeitseinsatz zu zahlen, mag zunächst widersprüchlich klingen, begründet sich jedoch auf vielerlei Weise. Zum ersten müssen vor Ort professionelle Mitarbeiter beschäftigt werden, die dauerhaft im Projekt tätig sind und die Freiwilligen einweisen, anleiten und betreuen. Zum zweiten finden viele Projekte in abgelegenen Regionen statt und die logistische Versorgung mit Nahrungsmitteln, Strom, Wasser usw. ist aufgrund dessen mit sehr hohen Kosten verbunden. Auch der Betrieb und die Instandhaltung der Volontärunterkunft, mögliche anfallende Personentransporte während der Arbeitszeit sowie die Bereitstellung der benötigten Arbeitsausrüstung verursachen Kosten, die gedeckt werden müssen.

Ferner erhalten die meisten von NATUCATE vermittelten Projekte keine finanzielle Unterstützung aus öffentlicher Hand, sodass sie auf die Hilfe internationaler Freiwilliger angewiesen sind. Diese tragen durch ihre Mitarbeit und durch ihren finanziellen Beitrag maßgeblich zum Erfolg und Fortbestand der Projekte bei. Zu guter Letzt spielt auch die Arbeit, die wir leisten, eine Rolle: Wir arbeiten nach deutschem Reiserecht, bieten eine 24/7-Erreichbarkeit, agieren in beratender Rolle für unsere Kunden, widmen uns der Projektwahl und -selektion und übernehmen in großen Teilen das Produktmarketing.

RGV: Die primären, kostenauslösenden Aufgaben unserer Tätigkeit liegen in der Vorbereitung, Vermittlung und Durchführung von gemeinnütziger Freiwilligenarbeit und Praktika im Ausland sowie die Entwicklung darauf abzielender Konzepte. In unserer Übersicht zur Verwendung der Teilnahmekosten für die Freiwilligenarbeit geben wir weitere Details und Auskunft.


11) Informieren Sie offen und transparent (z.B. auf Ihrer Webseite) darüber, wie die Einnahmen der Volunteers verwendet werden? Wieviel Prozent der Einnahmen fließen durchschnittlich ins Projekt?

RGV: Ja, darüber informieren wir ausführlich auf unserer Internetseite. Wir erklären, wie sich die Programmgebühren zusammensetzen und veröffentlichen unseren jährlichen Spenden- und Engagementbericht. Selbstverständlich entrichten wir regelmäßig Sach- und Geldspenden an ausgewählte Projekte und Einsatzstellen vor Ort. Manche Einsatzstellen erheben zusätzlich eine Projekt-Platzierungsgebühr, welche wir pro Volunteer entrichten (z.B. an Krankenhäuser). Die Förderung durch Sach- und Geldspenden hängt vom Bedarf und der Dauer unserer Zusammenarbeit mit den Projekten vor Ort ab. Aus diesem Grund können wir keine pauschalen Angaben darüber machen. Der Grundgedanke bei der Thematik Freiwilligenarbeit ist für uns, dass Volunteers die Projekte mit Manpower, Ideen, Motivation und einem interkulturellen Austausch unterstützen.


12) Welchen Änderungsbedarf sehen Sie in der Branche?

NATUCATE: Zum einen denken wir, dass jede Vermittlungsorganisation nach der Maxime „Qualität statt Quantität“ handeln sollte: Anstatt eine unüberschaubare Masse an Projekten anzubieten, sollten nur jene ins Programmportfolio aufgenommen werden, die im Vorfeld einer gründlichen Prüfung unterzogen wurden und den festgelegten Projektstandards entsprechen. Woran sich direkt ein zweiter Punkt schließt: Anbieter sollten sich unserer Ansicht nach zunächst selbst in die Pflicht nehmen, eigene Projektstandards und Werte definieren und nach diesen daraufhin die Projekte, die sie anbieten wollen, auswählen.

Kurzum: Es muss ein internes Umdenken stattfinden. Zertifizierungen stellen in unseren Augen nicht die Universallösung dar. Sinnvoll sind sie gewiss nur dann, wenn eine hinreichende und belastbare Grundlage gegeben ist – sind die Kriterien für das von einer Zertifizierungseinrichtung vergebene Siegel zu schwach oder falsch gewählt, handelt es sich bei Zertifizierungen lediglich um ein Marketinginstrument und das Betreiben von Greenwashing. Agenturen und Organisationen, die aus marketingstrategischen Gründen z.B. Löwenaufzuchtprojekte von ihren Seiten entfernen, jene mit anderen Wildtieren jedoch weiterhin promoten, agieren nicht im Sinne des Tier- und Artenschutzes und ziehen den ohnehin geschädigten Ruf der Freiwilligenarbeitsbranche weiterhin in Mitleidenschaft.

RGV: Die Kritik an der Branche ist teilweise gerechtfertigt: Nach wie vor gibt es Organisationen, die sich nicht der höheren Verantwortung der Thematik „Volunteering“ bewusst sind, zum Beispiel bei der Platzierung von Volunteers in Waisenhäusern, Tieraufzuchtstationen oder ähnlichen Einrichtungen. Das Traurige dabei ist, dass dadurch ein Schatten auf die gesamte Branche fällt. Dabei gibt es Organisationen, die richtig gute Arbeit leisten und kontinuierlich an ihren Qualitätsstandards arbeiten sowie ihre Projekte und deren Sinnhaftigkeit überprüfen.

Wir stellen auch fest, dass häufig Pauschalkritik an der Branche geübt wird, die nur wenig Spielraum für einen differenzierten Blick auf die einzelnen Organisationen zulässt. Wir würden uns zum Beispiel wünschen, dass in der gesamten Branche Qualitätsstandards wie Kindesschutz, Polizeiliches Führungszeugnis und Vorbereitungsseminare für zukünftige Volunteers verpflichtend werden! Derzeit entscheiden sich Teilnehmer auf freiwilliger Basis für die Teilnahme an einem Vorbereitungsseminar. Oftmals haben Volunteers nicht ausreichend Zeit oder melden sich zu kurzfristig an, um an den Seminaren teilzunehmen.

Wir möchten zukünftige Volunteers darin bestärken, die gewünschte Organisation oder das gewünschte Volunteer-Projekt auch kritisch zu hinterfragen. Bei der Auswahl der geeigneten Volunteer-Organisation sollte im Wesentlichen nach den Qualitätsmerkmalen geschaut werden. Hochglanzbilder und romantisierende Einsatzbeschreibungen können die Vorort-Situation verfälschen und falsche Erwartungshaltungen schaffen. Daher raten wir zu einem intensiven Informationsaustausch mit der Organisation. In unverbindlichen Beratungsgesprächen sollten alle Fragen umfänglich beantwortet werden.

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