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Turnbeutel Nähen im Women Empowerment Projekt in Tansania

Erfahrungsbericht von Solveig, 23 Jahre, Münster

Beutel voll von Hoffnung, Liebe und neuen Lebensträumen…

Neun Wochen lang durften Sarah und ich bisher das Leben in Tansania genießen. Am 31. Juli flogen wir von Düsseldorf nach Dar es Salaam. Dort verbachten wir drei Tage. Nachdem auch unser Gepäck eine Weile nach uns den weiten Weg nach Tansania geschafft hatte, fuhren wir mit dem Bus quer durch dieses wundervolle, abenteuerreiche Land zu unserem neuen Zuhause: Dem Student House in Mtwara.

Gemeinsam mit einer Freundin arbeitete ich im Frauen-Hilfsprojekt. 

Das Women Empowerment Projekt

Das Center macht sich zur Aufgabe, Mädchen und junge Frauen, die diverse Gewalterfahrungen erlebt haben, zu Schneiderinnen auszubilden. Auf diesem Weg soll ihre Selbstständigkeit und Unabhängigkeit gefördert werden. Es unterstützt auch bei der Aufklärung von Mädchen bzw. jungen Frauen, berät diese und schützt sie vor weiteren sexuellen Übergriffen. Es dauerte nicht lange, bis Sarah und ich unser Herz an diese 18, teils sehr verschüchterten, jugendlichen Mädchen verloren hatten.

In Tansania haben 2 von 5 Frauen zwischen 15 und 49 Jahren schon mindestens einmal körperliche Gewalt erfahren. Jede zehnte Frau zwischen 15 und 59 Jahren wurde bereits Opfer sexueller Gewalt.*

Nachhaltigkeit fördern durch Recycling

Schon vor Beginn unserer Reise hatten wir uns überlegt, dass wir den Kindern und Jugendlichen, mit denen wir arbeiten würden, insbesondere den Nachhaltigkeitsgedanken vermitteln wollten. Von RGV Teamleiter Lukas wussten wir, dass er beim Bau des neuen Student Houses besonders viel Wert auf die Wiederverwendung gebrauchter und erneuerter Rohstoffe gelegt hat. Unser Ziel war es, mit den Mädchen durch die Verwendung alter Dinge, die wir gemeinsam auf der Straße finden würden, neue Kunstwerke und Gegenstände herzustellen. Dadurch wollten wir sie für Wiederverwertung von Materialien sensibilisieren und ihr Umweltbewusstsein fördern. Einmal in der Woche kamen die Mädchen zu uns auf das Gelände des Student Houses. Hier hatte Lukas bereits begonnen, mit ihnen Gärten und Beete anzulegen und ein bisschen Farmarbeit zu unterrichten. Mit uns vollendeten die Mädchen weiterhin einen Mosaikweg, wofür wir alte Fliesen, Scherbenreste und Flaschenverschlüsse verwendeten. An einem anderen Tag machten wir beispielsweise Windspiele aus Flaschenscherben, die wir schliffen und mit Draht verzierten.

Die Idee des Stoffbeutel Projekts

In Verbindung mit dem Nachhaltigkeitsgedanken planten Sarah und ich bereits in Deutschland, Stoffbeutel und Einkaufstaschen mit den Mädchen zu nähen. Zunächst ging es uns bei der Planung nur darum den Mädchen zu zeigen, dass man eine wiederverwendbare Tasche zum Einkaufen benutzen sollte und nicht, wie in Tansania üblich, pro Einkauf viele leicht reißende Plastiktüten, die später überall in der Umwelt zu finden sein würden. Zu unserer großen Freude trafen wir in Mtwara auf weitere RGV Volunteers Nadine und Eva, die einen ähnlichen Gedanken verfolgten und mit den Mädchen bereits angefangen hatten erste Turnbeutel und Einkaufstaschen aus den traditionellen Kitengestoffen, die man auf dem Markt erhält, zu nähen.

Finanzierung und Verkauf der Turnbeutel

Umso länger wir jedoch Zeit im Frauen Hilfsprojekt verbrachten, umso bewusster wurde uns der große Mangel an finanziellen Mitteln, um das gesamte Projekt zu erhalten und vor allem Übungsmaterial für die Mädchen zu beschaffen. Unter den anderen Volunteers, die auch im Student House wohnten, gab es bereits ein großes Händeringen nach unseren Turnbeuteln. Also beschlossen wir die Beutel im größeren Stil unter die Leute zu bringen, in der Hoffnung so zu der Weiterfinanzierung des Projektes beizutragen. Über eine Facebook-Anzeige informierten wir Freunde und Bekannte von den Taschen und erhielten innerhalb von zwei Stunden über 50 Bestellungen.

Nähen für die eigene Unabhängigkeit – das Großprojekt Beutelherstellung konnte beginnen: Die weiteren Wochen unserer Zeit mit den Mädchen verbrachten wir damit die Bestellungen aus Deutschland anzunehmen, Beutel herzustellen und Kontakte zu einheimischen Artshops zu knüpfen, die vielleicht auch in Zukunft Abnehmer für die Beutel und Taschen sein würden. Während Sarah und ich – mittlerweile wieder zurück in Deutschland – nun die Bestellungen verteilen, gibt es dank Lukas und Flora mittlerweile auch einen eigenen kleinen Artshop, der neu hergestellte Beutel auf dem Gelände des Student Houses verkauft. Lucy, eine neue Freiwillige, nimmt derweil neue Bestellungen entgegen und unterstützt die Mädels bei der Organisation und Herstellung.

Ziele der Culture Bag Herstellung

Die Herstellung und der Verkauf unserer "Culture Bags", wie wir sie mittlerweile getauft haben, soll den Mädchen des Projekts zu ermöglichen, ihre Zukunft selbst zu gestalten. Durch die Produktion und den Erlös der Beutel, erhalten sie die Möglichkeit, ihre Ausbildung selbst mitzufinanzieren. Das langfristige Ziel der Beutelherstellung soll sein, ihnen eine Idee von dem Management eines eigenen Gewerbes zu geben und sie auf die Selbstständigkeit als Schneiderinnen vorzubereiten.

Wir hoffen darauf, dass sich das Projekt durch die Beutel langfristig selbst finanzieren kann und keine Abhängigkeit von weiteren Hilfsgeldern mehr entsteht. Hier liegt nämlich genau das Problem vieler Hilfsprojekte. Irgendwann ist das Budget an Spenden und Fördergeldern aufgebraucht und eine langfristige Selbsterhaltungsstrategie der Projekte gibt es nicht. Gleichzeitig muss allen, die in und an diesem Projekt arbeiten, bewusst sein, dass es sich bei den Beuteln überwiegend um Übungsstücke zum Sinne der Ausbildung handeln soll und nicht um eine Massenproduktion. Die Mädchen sind im Center, um zu lernen, Spaß zu haben und endlich ganz normale jugendliche Mädchen sein zu dürfen, die aus Herzenslust Fußball spielen, Musik hören, Tanzen, Haare flechten oder von Justin Biber schwärmen.

Beutel voll von Liebe und Lebensträumen

Oft haben wir mit den Mädchen über ihre Wünsche und Vorstellung von ihrer Zukunft gesprochen. Viele träumen davon, einmal als Näherinnen tolle Kleider herstellen zu können. Die Produktion der "Culture Bags" ist nicht nur für die Mädchen der erste Schritt zum Ziel dieses Traumes. Auch für Sarah und mich symbolisieren die "Culture Bags" Beutel voll von Liebe und neuen Lebensträumen.

Wir durften in Tansania Teil einer sehr herzlichen Gemeinschaft werden – wir haben neue Freunde und ein weiteres Zuhause gefunden. Noch immer stehen wir in engem Austausch mit der RGV Teamleitung Lukas und seiner Frau Flora, arbeiten daran das Beutelprojekt größer werden zu lassen und sind dankbar für jede weitere helfende Hand mit kreativen Ideen.

Tutaonana mungo akipenda!

*Quelle: africa.unwomen.org

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